„Wo warst du all die Jahre?“

Überstunden führen nicht zu mehr Produktivität. Meistens sind sie ein Resultat aus schlechter Zeit und Kapa-Planung und fehlendem Pragmatismus auf Entscheidungsebene. Generell gilt: Pünktlich Feierabend machen, ist ein Zeichen von Effizienz. 

 


„Wo warst du nur all die Jahre?“, fragt Opa Josef seine lange Zeit verschollene Else und schenkt ihr einen Strauß Blumen zum Wiedersehen. Ihre Antwort: „In der Agentur!“ 

Das Meme hat wohl jeder schon mal gesehen, der für eine gewisse Zeit in Werbeagenturen unterwegs war und nicht gerade in der Asservatenkammer Staub fegt

 

Das Meme ist freilich voller Ironie, und wird gerne auch mit einem „Gude Laune Leuteee“ 

in regelmäßigen nächtlichen Pitchphasen, in den Teams der Agentur geteilt.

Junge motivierte Uni-Absolventen, die sich gerade frisch in die Tretmühle einer Top-Agentur begeben, kann man mit solchen Memes und Gags zu Anfangs noch beeindrucken. 

Spätestens aber nach dem dritten durchgearbeitetem Wochenende oder dem fünften abgesagten Abendessen, flüchtet man sich in Ironie oder andere Hilfsmittelchen,
die über die Enttäuschung und Erschöpfung hinweg betäuben sollen. Chin Chin!

 

Es sei natürlich auch gesagt, dass viele der neuen Generation sich nicht mehr auf typische „Tretmühlen-Verträge“ einlassen und selbstbewusst eine 4 Tage-Woche einfordern. 

Aber nicht jedem ist dies vergönnt. Viele wollen aber auch richtig durchstarten, etwas Großes erreichen, möglichst schnell “Cheffe” werden, denn schließlich ist ja der Sky not the Limit. Diese Haltung, gelernte Muster und Strategien sowie fragwürdige Karriere Booster Tipps (immer schön geschäftig aussehen), fördern die Haltung, dass Überstunden schrubben Dich doch schnell ganz weit nach vorne bringt.

 

 

Das ist für so manche adaptive Überlebensstruktur, die wir in unserer Kindheit oder Jugend unbewusst gewählt haben, ein gefundenes Fressen. Größter Glaubenssatz könnte lauten

„Ich bekomme Liebe und Anerkennung wenn ich mir ganz viel Mühe gebe und der oder die Beste bin.“ So mutieren die einen mehr oder weniger freiwillig zu einem Duracell Häschen, während die anderen das Verhalten, auf das sich die Gruppe unbewusst geeinigt hat, beobachten und es adaptieren, um auch dazu zu gehören.
Auch das ist natürlich eine Überlebensstrategie. Beiden wird diese Haltung früher oder später vor Probleme stellen und seelische Schmerzen bereiten bereiten. Oftmals hat diese innere Strategie schon in der Kindheit begonnen.

 



 

Statistisch ist es längst belegt, dass Produktivität und Qualität sich kaum bis gar nicht ändern oder eben sogar steigen, wenn zum Beispiel in Form eines Sechs- statt Acht-Stunden-Tages gearbeitet werden kann. Etliche Testmodelle in Schweden haben dies eindrucksvoll bewiesen. Die Akzeptanz dafür ist in vielen Chef-Etagen dennoch nicht gegeben.

 

Hier zeigt sich eine gewisse Haltung des Habens. Ich verweise hier auf Erich Fromms Werk „Haben oder Sein“. Denn Mitarbeiter „hat“ bzw. „besitzt“ man als Chef und das was man besitzt, will man auch sehen können. Diesem wurde dies nicht oder er selber hatte es sich früher nicht gestattet, also wieso sollten es die anderen nun besser haben? 

„Ich habe es doch auch so erreicht“, könnte ein unbewusster Glaubenssatz dazu sein.

 

Die besten Mitarbeiter sind zufriedene Mitarbeiter!

Wie wäre es, anstatt konkurrierendem und vergleichendem Denken den Blick auf das Wohlgefühl im fortwährenden Moment zu lenken und mit uns selber einzuchecken, wie es grade um unser Befinden und unseren inneren Modus steht?
 

 

Ich kann mich in diesem Moment bewusst fragen, ob da gerade eher innere Unruhe ist oder Ruhe oder vielleicht ein anderes Gefühl. Nachdem ich dem was auftaucht, einfach Raum gegeben habe ohne, dass ich damit etwas tue, kann ich mich fragen, was es jetzt zu tun gibt und danach priorisieren und mich strukturieren.
 

 

Zufriedenheit im Alltag impliziert die Freiheit sich inspirieren zu lassen, beispielsweise indem man morgens in Ruhe durch ein Magazin blättert, ohne dass das Frühstück halbzerkaut vor dem Bildschirm und zwischen E-Mails und Tasks hinuntergeschlungen wird.
 

 

Morgens der oder die erste sein zu müssen, der das Licht anknipst und abends als letzter Mann oder Frau das Schiff verlässt, mag der jeweiligen Person ein großes Gefühl der Wichtigkeit geben, fördert aber eher innere Anspannung und nicht zuletzt einen Vergleich in dem die Kolleg:innen meist schlechter abschneiden. Was das mit der Team-Chemistry macht, muss ich an dieser Stelle wohl erst gar nicht erwähnen.

 

In vielen Agenturen gehört es nach wie vor zum guten Ton, bis spät in die Nacht zu arbeiten und manch einer wurde, wenn man mal pünktlich Feierabend machte um zum Sport oder Essen zu gehen, mit einem Spruch belegt wie „Arbeitest du jetzt nur halbtags?“ 

 

Wer ein entspannteren Arbeitsrhythmus pflegt, bewegt sich zwischen innerer Entspannung und gesunder Aktivierung im Nervensystem. So kann auch viel eher im Meeting eine zündende Idee auftauchen. Denn Stress ist ein Kreativitäts-Killer.

 

Eine entspanntere innere Haltung bringt Gesundheit und Freude mit sich und das steckt freilich das ganze Team an, wenn man es vorlebt!

 

Ich wünsche Dir von Herzen ganz viel Mut und Selbstliebe, Dir Deine nötigen Pausen und Freiheiten zu nehmen, auf dass Du dich nicht selber übergehst.

Alles Liebe und happy Day,
Dein Simon

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